Heinrich Sohnrey

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft e. V. wusste lange nicht, wie sie mit den durch die von Dr. Frank Möbus in der Art einer Anklageschrift verfassten „Expertise“ ausgelösten Sachverhalte umgehen sollte. Nun haben wir dazu eine Stellungnahme verfasst, die wir hier veröffentlichen. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass sie bei den weiteren Beratungen an der Universität Göttingen, hinsichtlich der Aberkennung der Ehrenbürgerschaft von Prof. Sohnrey, und auch in den Orten mit Sohnreystraßen und den Sohnreyorten Berücksichtigung findet.

 

Wir möchten hier am Anfang gleich betonen, das die Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft e. V. seit ihrer Gründung niemals irgendetwas mit der Förderung, Verharmlosung oder des Gutheißens rechten Gedankengutes zu tun hatte. Uns ging und geht es um die Aufarbeitung eines Lebenswerkes und dessen Bewertung inklusive der 12 Jahre NS-Zeit des 74- bis 86-Jährigen. Aufgrund unserer eigenen und der Forschungen von Herrn Dr. Busse wissen wir, dass etliche Folgerungen, die Dr. Möbus aus seiner Zitatenansammlung zieht, so nicht stimmen. Sohnrey war weder vor 1933 noch danach Nationalsozialist, wenn sich auch „bei aller Übereinstimmung von nationalen und völkischen Gedanken […] jedoch völlig anders motivierte Gedankenwelten verbinden sollten.“ (Busse, S.113). Auch die Behauptungen, Sohnrey sei ein Befürworter des Holocaust, ein Rassist, ein Antisemit, ein Kriegstreiber, quasi ein Propagandist der Nationalsozialisten gewesen, der nie seine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten bereute, sind weit her geholt, basieren nur auf Zitaten aus der nach 1933 erschienenen Belletristik und sind damit recht problematisch.

 

Die Heinrich Sohnrey Gesellschaft e. V. versucht seit ihrer Gründung 1949 eine Aufarbeitung voranzutreiben. Doch reichten unsere personellen und finanziellen Möglichkeiten dafür nicht aus. Alle von uns angesprochenen Institutionen vertrösteten uns, so auch die Agrarsoziale Gesellschaft in Göttingen (eine Nachkriegsgründung in Sohnreys Sinne, die von einigen seiner jüngeren Freunde mit ins Leben gerufen wurde ) haben uns nie den Mut genommen weiter nach Partnern zu suchen, da unsere eigenen Geldmittel immer nur gerade für die Erhaltung und Weiterführung des Heinrich-Sohnrey-Archives hier in Jühnde reichten.

 

Nach 60 Jahren des Suchens hatten wir endlich die Möglichkeit eine erste komplette Aufarbeitung des Lebens und Werkes von Heinrich Sohnrey anzugehen. Daraus entstanden ist das Buch „Gerd Busse: Zwischen Hütte und Schloß – Heinrich Sohnrey. Schriftsteller. Sozialreformer. Volkskundler, Holzminden 2009“ erschienen im Verlag Mitzkat, Holzminden. In diesem Buch wurden erstmals Akten aus dem Familienbesitz der Familie Sohnrey ausgewertet und es enthält auch die erste ausführlichere Darstellung und Bewertung der Verstrickungen Heinrich Sohnreys im Nationalsozialismus. Vieles konnte nun wie in einem großen Puzzle zusammengeführt werden.

 

Unsere Absicht war und ist es das gesamte Leben und Werk von Heinrich Sohnrey zu bewerten und zu prüfen, denn Sohnreys Hauptschaffensperiode lag in der Zeit des Kaiserreichs. Wir sind der Meinung, dass man viel aus seinem Schicksal und der Verfolgung seines Lebenszieles lernen kann. Heinrich Sohnrey, ein uneheliches Kind einer Jühnder Tagelöhnerin hat sich als überzeugter Christ sein Leben lang für die Landbevölkerung eingesetzt und sich dabei immer mit den jeweiligen politischen Kräften im Sinne dieses Bestrebens arrangiert.

 

An Heinrich Sohnreys Lebenslauf können wir die politischen Verhältnisse hinsichtlich der Landbevölkerung zur Zeit der Industrialisierung im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und der NS-Zeit nachvollziehen. Leider fehlen Unterlagen aus vielen Lebensabschnitten, die durch die Komplettausbombung 1943 in Berlin für immer verloren gegangen sind. Daher ist es unserer Meinung sehr wichtig nicht nur einige der Druckwerke von 1933 bis 1945 zu bewerten,. Um die Lücken in den Akten schließen zu können, muss der Lebensweg und die Konsequenz von Heinrich Sohnreys Handeln für die Landbevölkerung und für die eigene Familie gesehen werden. Und wir dürfen aus unserer heutigen Sicht auch den damals im Großbürgertum herrschenden Zeitgeist, Sohnreys nationalkonservative dem Kaiserreich zugetanen Einstellung und die agrarideologischen Implikationen seines Werkes nicht übersehen.

 

Ganz wichtig ist für uns aber auch zu fragen, warum Heinrich Sohnrey so viele Ehrungen zuteil wurden. Die Ehrungen in der NS-Zeit waren ja nur am Ende seines Lebensweges! 1907 bekam er den Professorentitel durch Preußen, 1919 die Ehrendoktorwürden der Universitäten Königsberg und Tübingen. 1929 wurde durch Spenden der Sollinger Bevölkerung eine Stiftung eingerichtet, der sog. Sohnreyangers bei Eschershausen, die den Besuch einer weiterführenden Schule für Sollingkinder ermöglichte. Er wurde, Ehrenbauer in Fredelsloh, weil er dafür gesorgt hatte, dass bei der Auflösung des Klostergutes die „kleinen Leute“ ihren Anteil bekamen und, und, und...

 

Wir hoffen, dass Herr Prof. Dr. Dirk Schumann bei seiner Aufarbeitung gründlicher und sachlicher vorgeht als Dr. Frank Möbus. Im Anhang zu diesem Schreiben finden Sie unsere Stellungnahme zur „Expertise“ von Dr. Frank Möbus, wie er mit „Wahrheiten“ spielt um zu „seinem“ Ergebnis zu kommen, das er schon mit einer falschen Bildunterschrift auf der Titelseite seines Artikels vorweg nimmt.

 

Für die Heinrich Sohnrey Gesellschaft e. V., die auf jeder Veranstaltung auf die noch nicht aufgeklärten Abschnitte, gerade in der NS-Zeit, in Heinrich Sohnreys Lebensweg hingewiesen hat, war die „Expertise“ von Herrn Dr. Möbus mit ihrem latenten Vorwurf einer Verharmlosung durch diejenigen, die sich bislang zu Sohnrey geäußert haben, ein gewaltiger Schlag ins Gesicht. Diesen Vorwurf weisen wir entschieden zurück. Denn wir müssen uns als Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft e. V. nicht den Vorwurf gefallen lassen, Sohnreys Lebensabschnitt im Nationalsozialismus verharmlost zu haben.

 

Wir würden uns freuen, wenn alle an der Wahrheitsfindung Beteiligten die neuen Forschungsergebnisse von Dr. Busse in seinem Buch „Zwischen Hütte und Schloß“ zur Kenntnis nehmen würden. Das Buch hat uns viele Erkenntnisse gebracht und auch die Sicherheit, das wir mit unserem bisherigen Bestreben das richtige Ziel der Aufarbeitung und Aufklärung verfolgt haben.

 

Die Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft e. V. hofft auf eine der Wahrheitsfindung verpflichtete, vernünftige und nicht vorschnelle Aufarbeitung der Sachlage und Entscheidung über die Ehrenbürgerschaft, über die Umbenennung von Strassen und den Umgang in den Sohnreyorten.

 

Nicht durch Wegsehen können wir aus der Geschichte lernen, sondern nur durch das bewusste Hinsehen.


Mit freundlichen Grüßen


Ihr

Hubertus Menke
1. Vorsitzender der Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft e. V.


Anlage:

StellungnahmeExpertiseMöbus.pdf

Archiv und Gedächtnisstätte Jühnde

Aus der Geschichte lernen!

Mittwoch, 22. Februar 2012